Pistorius Prozess: Das Urteil und seine Folgen

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Gerichtshammer beendet Prozess

Der Pistorius Prozess hat die südafrikanische Gesellschaft monatelang sehr beschäftigt sowie weit über Südafrikas Grenzen hinaus Aufmerksamkeit erregt. Nun scheidet das vor wenigen Tagen dem Grunde nach ergangene Urteil die Geister erneut: Während viele Stimmen den behinderten Sportler Oscar Pistorius des Mordes an seiner Partnerin Reeva Steenkamp für schuldig halten, kam die farbige Richterin jetzt zu dem Schluss, dass es sich um fahrlässige Tötung handelt. Für viele offenbaren sich im Fall Pistorius eklatante Schwächen des südafrikanischen Rechtssystems zu einem Zeitpunkt, zu dem das Strafmaß noch gar nicht festgesetzt ist.

Der Fall Pistorius – eine bemerkenswerte Konstellation

Für die einen heißt es dieser Tage in Pretoria, die Entscheidung der Vorsitzenden Richterin Thokozile Masipa untermauere die fortdauernde Bevorzugung der weißen Bevölkerung in Südafrika. Andere anerkennen, welche bemerkenswerten Veränderungen seit den Tagen der Apartheid diese Gesellschaft vollzogen hat.

Immerhin sitzt eine farbige Frau über einen prominenten weißen Angeklagten zu Gericht, und die verschiedenen Meinungen zur Schuldfrage im Pistorius Prozess scheinen sich unabhängig von Rasse und Hautfarbe aufzuteilen. Auch gibt es einen weitgehenden Konsens zu der Tatsache, dass die Richterin den Prozess sehr sachlich und letztendlich sachgerecht geführt hat. Warum wühlt dann dieses Verfahren so viele Menschen auf und führt zu hochemotionalen Kommentaren?

Da ist zum einen das dramatische Geschehen in der Tatnacht selbst, das sich der endgültigen, überzeugenden Aufklärung der ermittelnden Polizei entzogen hat und Versäumnisse in diesen Ermittlungen während des Prozesses zum Nachteil der Anklagevertretung besonders in den Mittelpunkt rücken ließ.

Zum anderen ist es das fast schizophrene Verhältnis der südafrikanischen Gesellschaft zur Gewalt und zum Thema Selbstverteidigung, das dieser Prozess gnadenlos vor den Augen der ganzen Welt offenlegt.

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Gewalt als Teil der südafrikanischen Gesellschaft

Die sachlichen Ausführungen der Vorsitzenden Richterin zur Begründung ihrer Entscheidung und besonders zum Ausschluss einer vorsätzlichen Tat lassen eines erkennen:

Es scheint in Südafrika relativ normal zu sein, dass man aus Angst vor einem Einbrecher auf eine geschlossene Tür schießt, ohne den Sachverhalt in irgendeiner Weise einer genauen Prüfung unterzogen zu haben.

Unter dieser Prämisse ist eine Verurteilung von Oscar Pistorius nach Fahrlässigkeitsregeln folgerichtig, wenn man ihm nicht beweisen kann, dass er wusste, wer sich hinter der Tür verbarg. Offensichtlich ist die Gefahr für das eigene Leben, die von einem gedachten, potentiellen Eindringling in diesem Land ausgehen kann, erfahrungsgemäß so groß, dass zur Selbstverteidigung Exzesse sensiblerer und nervöser Gemüter in Kauf zu nehmen sind, von der Tatsache des weitverbreiteten privaten Waffenbesitzes ganz zu schweigen.

Nun kennt man die Gefahren einer auch privat extrem mit Waffen hochgerüsteten Gesellschaft bereits aus den USA genauso wie den Grundsatz, die eigene Verteidigung über alles stellen zu wollen. Jedoch scheint dieses Phänomen in der südafrikanischen Gesellschaft eine ganz andere Qualität zu haben.

Achtung aufgepasst!
Am Ende offenbart sich im Pistorius Prozess ganz nüchtern eine allgemein akzeptierte Angst und eine tiefe Spaltung der Gesellschaft, als habe Südafrika für die Aufgabe der Apartheid mit einer für gesellschaftlich und finanziell privilegierte Schichten gleich welcher Hautfarbe andauernden und sich eher verstärkenden Unsicherheit bis hin zur Gefahr für Leib und Leben bezahlt.Ein Staat, der Sicherheit nicht garantieren kann und das Gewaltmonopol aufgibt, muss bei vermeintlichen Selbstverteidigungs-Exzessen Milde walten lassen.

Strafmaß und weitere Rechtsmittel offen

Es bleibt spannend im Pistorius Prozess: In etwa vier Wochen wird das Urteil zum Strafmaß erwartet, von einer Geldstrafe bis hin zu langer Gefängnisstrafe ist alles möglich. Das letzte Wort wird nicht gesprochen sein, da weitere Instanzen angerufen werden können. Interessant wird sein, ob eine weiterführende gesellschaftliche Diskussion zum Thema Gewalt in Gang kommt.

Titelbild: Africa Studio – Fotolia.de

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