Der Mordprozess um den südafrikanischen Paralympics-Sportler Oscar Pistorius hat eine neue Etappe erreicht. Am 20. Mai 2014 ordnete Richterin Thokozile Masipa an, dass die psychische Gesundheit des Angeklagten während eines 30-tägigen ambulaten Aufenthaltes in der Weskoppies Psychiatrie untersucht werden müsse, um die Frage seiner Schuldfähigkeit endgültig zu klären und so eine faire Gerichtsverhandlung zu gewährleisten.
Viele Ungereimtheiten im Pistorius-Prozess
Am 14. Februar 2013 soll der beinamputierte Sprinter seine Lebensgefährtin Reeva Steenkamp in seinem Haus in Pretoria erschossen haben. Seit dem 03. März 2014 muss er sich dafür vor dem hohen Gericht in der südafrikanischen Hauptstadt verantworten.
Der Sportler streitet nicht ab, die Schüsse abgegeben zu haben. Er behauptet jedoch, dass er viermal durch eine geschlossene Badezimmertür schoss, da er dahinter einen vermeintlichen Einbrecher vermutete. Die Staatsanwaltschaft geht hingegen davon aus, dass der Sprintstar seine Lebensgefährtin vorsätzlich nach einem Streit ermordete.
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Richterin ordnet Psychiatrieaufenthalt an
Am 13. Mai 2014 wurde die Psychiaterin Merryl Vorster von der Verteidigung in den Zeugenstand gerufen. Sie sagte aus, dass Pistorius schon seit seiner frühen Kindheit an einer Angststörung leide. Zwar bescheinige sie ihm keine geistige Erkrankung, dennoch könne die Störung in Kombination mit seiner Behinderung das Verhalten des Angeklagten am Tage des vermeintlichen Mordes beeinflusst haben. Vor allem beobachte der Sportler stets überaufmerksam seine Umgebung und untersuche diese auf eventuelle Bedrohungen.
Daneben habe er sich zum Zeitpunkt der Tat hilflos gefühlt, da er seine Prothesen nicht trug. Da die Verteidigung aufgrund der genannten Umstände auf verminderte Schuldfähigkeit plädieren könnte, stellte Staatsanwalt Gerrie Nel den Antrag, Pistorius einer psychologischen Untersuchung zu unterziehen. Ab dem 26. Mai 2014 muss sich der Sportler nun täglich von 9 bis 16 Uhr in der psychiatrischen Klinik einfinden. Dort wird er dann von vier Experten befragt und untersucht.
Schuldfähigkeit als eine zentrale Säule im Strafrecht
Die Schuld eines Angeklagten stellt in vielen Staaten der Welt ein zentrales Element im Strafprozess dar. In Deutschland wird der Grundsatz ’nulla poena sine culpa‘ – also keine Strafe ohne Schuld – beispielsweise in § 20 StGB ersichtlich. Hiernach handelt ohne Schuld, wer während der Tatbegehung unter einer schweren seelischen Störung litt. Das südafrikanische Strafrecht ist stark durch das sogenannte ‚common law‘ geprägt, welches vor allem in englischsprachigen Staaten vorherrschend ist.
Dies bedeutet, dass sich das Gericht vorwiegend an vormaligen Fällen und richterlichen Entscheidungen orientiert. Doch auch hier stellt sich die Frage nach der Schuldfähigkeit. Im Pistorius-Prozess könnte die Antwort auf diese Frage das Strafmaß erheblich beeinflussen. Die Verhandlung wird am 30. Juni 2014 fortgesetzt.
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